...naja, obwohl ehrlich
gesagt finde ich den Begriff „Arbeit” eher unpassend. Einer der Gründe dafür
ist, dass wir in vielen Projekten ja auch von Jugendlichen aus Chile begleitet
werden, die ihre Freizeit dafür investieren und für die das alles auf freiwilliger
Basis läuft. Irgendwie ist es dann ja nicht angemessen, das Ganze für uns als
„Arbeit“ zu bezeichnen, oder? Zudem weiß ich auch nicht, ob ich es als „Arbeit“
sehen möchte, Zeit mit Menschen zu verbringen, die mir mittlerweile auch ans
Herz gewachsen und mir wirklich wichtig sind. Aber gut, um das vielleicht
besser nachvollziehen zu können, lest euch einfach meinen folgenden Artikel
über unsere Projekte durch, in denen wir hier unterwegs sind, viel Spaß dabei
:-)
Eine normale Woche (okay,
ich kann mich eigentlich nicht daran erinnern, hier mal eine „normale“ Woche
erlebt zu haben :D) sieht bei uns folgendermaßen aus: Montags und Donnerstags
gehen wir in die Schule, das „Colegio Jorge Williams“, das in irgendeiner Art
und Weise zum Guay gehört. Der Unterschied zu einer deutschen Schule könnte
eigentlich nicht größer sein: Schon allein was Disziplin und Mitarbeit
betrifft, kann man das überhaupt nicht vergleichen. Aber, dass einige Kinder
dort über Stühle und Tische springen und die Lehrer teils machtlos sind (meinen
größten Respekt an all die Lehrer, die es schaffen, sich in den Klassen
durchzusetzen!!), sollte man vielleicht auch vor dem sozialen Hintergrund
sehen. Nach einiger Zeit wurden wir nämlich darüber aufgeklärt, dass in dieser
Schule Kinder aufgenommen werden, die andere Schulen aus Verhaltensgründen
nicht haben wollten und mittlerweile sind uns auch schon einige Geschichten von
Kindern bekannt, die hier anscheinend keine Seltenheit sind. Wenn einem eine 3.-klässlerin
ganz trocken erzählt, dass ihr Vater sie geschlagen hat oder ein 1.-klässler
selbst zum Elternabend geht, da sich seine Eltern nicht dafür interessieren,
stellt man sich schon die Frage, wie man diesen Kindern eigentlich irgendwas
vom Leben erzählen will. Aus diesem Grund fühlen wir uns auch noch ein wenig
unsicher bei einem neuen Projekt, das wir gestartet haben. Immer nach der Pause
gehen wir zu zweit durch die Klassen und machen eine kleine Aktivität mit den
Kindern zu einem bestimmten Thema. Bis jetzt hatten wir Toleranz, Freundschaft
und Solidarität und unser Ziel ist es, den Kindern eben diese Werte zu
vermitteln, da sie die eben oftmals einfach nicht von Zuhause mitbekommen. In
den Klassen 1-4 kommt das auch immer noch super an und die Kinder sind jedes
Mal total begeistert, aber bei 5-8 ist das Ganze dann schon schwieriger… das
liegt zum einen einfach am Alter, zum anderen aber vermute ich auch einfach an
unserem Hintergrund. Daher ist es eben nicht gerade einfach, wie gesagt: wieso
sollten sie sich von vier weißen Mädels aus dem reichen Deutschland, die in
ihrem Leben noch nicht mal die Hälfte von dem durchgemacht haben, was
wahrscheinlich jedes Kind dort schon hinter sich hat, etwas vom Leben erzählen
lassen? Ich weiß es nicht, aber was ich weiß, ist, dass ich bei einigen das
Gefühl hatte, dass wenigstens ein bisschen was angekommen ist und wer weiß,
vielleicht reicht das ja schon aus, um etwas zu bewirken. Auch mit der Sprache
ist es hier nicht immer ganz einfach, kleine Anekdote zu diesem Thema: bei
unserer Aktivität zum Thema „Solidarität“ sollten die Kinder einmal eine Woche
lang auf ihr Umfeld achten und hatten dazu einige Aufgaben, z.B. Einer Person,
die sie nicht so gut kennen, ein Kompliment machen. Doch was schreiben wir mit
unserem noch nicht ganz so perfekten Spanisch? Übersetzten „ein Kompliment
machen“ mit pilopear, was so viel heißt, wie: jemandem auf der Straße
hinterherpfeifen! Das war der ultimative Fail des Jahres und war uns auch
dementsprechend peinlich, aber was soll man sagen: nobody´s perfect! ;-)
Okay, so viel zu unserem
neuen Projekt, das eher so nebenbei läuft. Nach wie vor teilen wir uns immer
noch zwei-zwei auf, wobei eine Gruppe in den Kindergarten geht und die andere
in die Klassen. Vom Kindergarten habe ich ja in meinem letzten Artikel schon
kurz was berichtet. Wenn die Kinder nicht gerade etwas lernen müssen oder Tests
(!) schreiben, versuchen wir, ein bisschen Programm mit ihnen zu machen,
sprich: etwas basteln, singen, spielen oder ihre Lieblingsbeschäftigung: einfach
kuscheln. In den Klassen kamen wir uns nach wie vor eher unnötig vor, weswegen
wir mit dem Direktor gesprochen haben und er uns folgendes Angebot gemacht hat:
Wir dürfen eine komplette, ziemlich kaputte Wand im Pausenhof neugestalten! Das
ist ´ne Menge Arbeit, aber die Idee hat uns sehr gut gefallen. Jetzt sind also
immer zwei von uns mit den Kindern im Kindergarten beschäftigt und die anderen
zwei mit malen :-) Was ich in der Schule aber mittlerweile echt genial finde,
ist, dass die Kinder langsam Vertrauen zu einem entwickeln. Sie kommen in der
Pause zu uns, wollen umarmt werden und uns erzählen, wie es ihnen geht und was
sie am Wochenende erlebt haben, das genieße ich wirklich sehr!
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Die Grundierung steht! |
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sind sie nicht süß, unsere Kinder? |
Unser letztes Projekt in
der Schule ist der Curso de Líderes, von dem ich auch im letzten Artikel schon
berichtet habe. Nach wie vor kommen jeden Freitagnachmittag ungefähr 10 7.-klässler
in unseren Jugendkreis, die wir auch schon alle total ins Herz geschlossen
haben. Wir machen Spiele und eine kleine Andacht und ich muss sagen, von allen
Klassen, die die Schule zu bieten hat, hätten wir keine bessere als die 7. bekommen
können! Im letzten Curso haben wir einen Ausflug zum Guay gemacht und dort eine
Hausralley durchgeführt, was bei allen wirklich gut ankam :-)
Neben unseren Aktivitäten
in der Schule sind wir vor allem am Wochenende hier im Guay ziemlich
eingespannt. Freitagabend haben wir einen Taller de Missión, vergleichbar mit
einem Jugendkreis. Die Jugendlichen haben mehr oder weniger unser Alter und
organisieren sich Großteils selbst, was bedeutet, dass wir zwar ab und zu was
für diesen Taller vorbreiten müssen, aber eigentlich eher Teilnehmer sind. Und
sollte doch mal keiner etwas vorbereitet haben, spricht der Jugendleiter Juan
einfach wieder über seinen Lieblingsbibeltext ;-) Im Rahmen des Tallers gehen
wir so gegen 8 Uhr immer mit Brot, Tee und Bibelversen im Gepäck zum Plaza
Ecchauren, ein Platz, an dem sich viele Obdachlose aufhalten. Man glaubt gar
nicht, wie schnell man mit den Leuten dort über alles Mögliche ins Gespräch
kommt und ich hätte diese Art von Arbeit früher für nie als so wichtig
eingestuft. Aber wenn ich sehe, wie ein Mensch in Tränen ausbricht, einfach aus
Dankbarkeit, weil ihm jemand zuhört, während er über seine kaputte Familie
redet oder wir als „Engel“ bezeichnet werden, da wir mit einem Mann geredet
haben, der meinte, wir seien die Ersten, mit denen er seit drei (!!) Tagen
geredet hat, dann weiß ich, dass ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort bin!
Wenn wir nach dem Plaza Ecchauren noch Brötchen und Tee übrighaben, gehen wir
anschließend ins „Ejercito de Salvación“, ein Haus, in dem Obdachlose für wenig
Geld übernachten können. Ich muss mir ehrlich eingestehen: Als ich dieses
Gebäude zum ersten Mal betreten habe, konnte ich gar nicht beschreiben, wie
furchtbar ich es dort fand! Es handelt sich einfach um einen großen Raum, in
dem 30 Stockbetten stehen und ein Bad, das mehr oder weniger davon abgetrennt
ist. Mittlerweile finde ich die Zustände dort immer noch furchtbar, aber es
fällt mir leichter, hineinzugehen, da es eine einmalige Möglichkeit ist,
Gespräche mit den Menschen zu führen. Es ist teilweise so unglaublich, aus
welchen Gründen diese Leute alles verloren haben, aber trotzdem noch an Gott
festhalten. Dort würden wir gerne noch etwas mehr machen, aber dazu fehlen aktuell die finanziellen Mittel... abwarten!
Am nächsten Tag um 10:30
Uhr findet ebenfalls ein curso de líderes, sprich eine Art Jugendleiterkurs,
statt. Die Teilnehmer sind alle so im Alter von 12-17 und einige bereits
ausgebildete Jugendleiter halten den Kurs zusammen mit Juan und uns. Das
Programm variiert sehr und hängt auch immer von der Motivation der zuständigen
Person ab, sprich manchmal gibt es 1,5 Stunden volles Programm mit Spielen,
Andacht und Singen und manchmal eben… nicht :D. Nach dem Curso so gegen 12:30
Uhr fangen wir alle an, das Mittagessen für den anschließenden „Comedor
Solidario“ vorzubereiten. Hier sind alle bedürftigen Leute zum Essen in den Guay
eingeladen, wobei wir jedes Mal viele bekannte Gesichter vom Abend vorher
erkennen. Das ist jedes Mal eine große Spannung, da man nie weiß, wie viele
Leute kommen und wie viel Essen man kochen muss. Mal sind es 40, mal nur 15, man
kann es wirklich überhaupt nicht einschätzen. Aber im Großen und Ganzen bringen
wir es immer ganz gut über die Bühne, singen 1-2 Lieder, lesen eine kleine
Andacht vor und servieren das Essen. Wenn jeder von den Obdachlosen etwas hat,
holen wir uns selber etwas und setzten uns dazu, wobei sich auch sehr oft noch
total gute Gespräche ergeben.
Einen weiteren Punkt, den
wir seit einigen Wochen noch auf unserem Plan haben ist einmal in der Woche der
Besuch im „Centro Comunitario“ (Gemeinschaftszentrum) in Las Canas, einem der
vielen Hügel. Zu Beginn hatten wir einen riesigen Ehrgeiz, die Aktivitäten, die
es dort gibt, zu besuchen, da wir eben auch von vorherigen Jahrgängen erfahren
hatten, dass sie dort oft waren und viel gemacht haben. Vor allem der Jahrgang
von vor drei Jahren hat sehr viel beim Wiederaufbau nach einem großen Brand
geholfen (wen es interessiert, kann sich zu diesem Brand auch noch ein paar
Bilder im Internet anschauen, es sieht wirklich heftig aus, wie ein kompletter
Hügel einfach so abbrennen kann!) Bis jetzt waren wir eigentlich erst bei zwei
der Aktivitäten dabei, deren Curso de Líderes und einem Taller de Mujeres
(„Frauenkreis“). Vor allem im Taller de Mujeres hatte es uns das erste Mal
total gut gefallen und wir haben uns gleich willkommen gefühlt, was jedoch ein
wenig nachgelassen hat… Da müssen wir erst noch mal abwarten, wie sich das Ganze
weiterentwickelt und ob wir dort weiterhin hingehen.
Jetzt aber wirklich zu
meinem letzten Punkt zum Thema „Arbeit“. Wie ich ebenfalls schon mal kurz
erwähnt hatte, bieten wir einen Deutschkurs für Anfänger an. Nach wie vor haben
wir ca. 15 Schüler in unserer Klasse, ein bunt gemischter Haufen zwischen 12
und vielleicht 50 Jahren. Ich weiß nicht, wieso, aber irgendwie hört es sich
einfach total goldig an, wenn sie mir alle im Chor nachsprechen: ich frage, du
fragst, er/sie/es fragt, … Vor allem,
wenn dann alle auch noch so schön ihr „r“ rollen, weswegen ich nach der
Deutschstunde zum Thema Verben auch nochmal ordentlich Ärger von meinen Mädels
bekommen habe, ich solle doch bitte aufhörten, den armen Chilenen meine
fränkische Aussprache beizubringen ;-) An sich ist der Kurs gratis, aber wir
haben auf die Einladung geschrieben, wer denn möchte, kann gerne Spenden für
den Comedor mitbringen. Und wir hätten uns nie erträumen können, wie viel Essen
da zusammenkommt! Packungen von Nudeln und Reis türmen sich jede Woche in der
Küche, einfach genial!
Puuuh, das war jetzt
viel, aber nachdem ich schon von so vielen Leuten gefragt wurde, was genau ich
eigentlich hier mache, dachte ich mir, ich berichte mal etwas ausführlicher
darüber :-) Ich hoffe, der Artikel war euch nicht zu lang und ihr fandet ihn
halbwegs interessant ;-)
Neben unseren ganzen
Aktivitäten hier erleben wir aber ja auch sonst noch jede Menge! Ich will gar nicht
mehr viel schreiben, aber hier noch ein paar Bilder aus unseren letzten paar
Wochen:
Jaaa wir haben eine
kleine Katze!! Sie heißt Mojita und wohnt jetzt seit 3 Wochen bei uns! Wir sind
alle total verliebt in sie und wollen sie gar nicht mehr hergeben, auch wenn
sie schon recht anstrengend ist. Da sie erst ungefähr zwei Monate alt ist, will
sie sehr viel kuscheln und spielen, aber da ist sie bei uns eigentlich auch an
der richtigen Adresse ;-)
Hier waren wir auf „Enali“,
dabei handelt es sich um eine Art Seminar, in dem sich Jugendliche von den
sechs ACJs in Chile treffen. Es werden Erfahrungen ausgetauscht, Vorträge
angehört, Spiele gespielt und einfach die gemeinsame Zeit genossen!
Normalerweise wird auch noch ein Präsident gewählt, doch dieses System wurde
dieses Jahr spontan über den Haufen geschmissen, willkommen in Chile ;-)
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letzte Woche gab´s einige Aufräumarbeiten im Keller des Guays zu erledigen. |
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Frühstück am Meer an unserem freien Tag, was will man mehr? |
Achja, und vor zwei Wochen hatten wir auch unser erstes kleines Erdbeben! Wir waren relativ weit vom Epizentrum weg und befanden uns in einem stabilen Gebäude, es war also nicht wirklich krass, aber wenn auf einmal alles für 5 Sekunden wackelt, ist das schon mal eine ganz neue Erfahrung!
Das war´s soweit von mir! Danke für eure Spenden und Gebete! Achja, und über Post freue ich mich natürlich auch immer, nur so als kleiner Hinweis ;-)
Liebe Grüße, eure Jane!